Mittwoch, 29. Juli 2015

Auf Reise sein

Wie fühlt es sich an auf Reise zu sein? Ohne konkretes oder festes Ziel? Mit dem Gedanken, dass auf-Reise-Sein für die nächsten Monate dein Leben sein wird? Alleine auf Reise durch die weite Welt!

Ich kann mich an das Gefühl erinnern, dass ich mit dem Gedanken Auf-Reise-Sein verbunden habe, als ich Tag für Tag an meinem Schreibtisch saß und die Reise geplant habe. Es war Freude, Leichtigkeit, Unbeschwertheit, Gelassenheit, Ahnungslosigkeit, ein Gefühl des Tragen lassen und Schwimmen auf einer Welle des puren Lebensgefühls. Es war der Gedanken an die Erfüllung der Sehnsucht nach der Ferne, ein Gefühl des vollkommen Angekommenseins. Nicht an einem bestimmten Ort oder einem bestimmten Ziel, aber ein Ankommen bei sich selbst und der inneren Mitte, der inneren Ruhe.

Nun, das Gefühl,  dass mich die ersten Tage, die ersten Wochen hier begleitet hat war: In was für eine Scheiße hast du dich hier bloß reingeritten? Es war alles andere als innere Ruhe und Gelassenheit. Es war Panik in einem Netzwerk sozialen Lebens nicht alleine, aber einsam zu bleiben. In einem Land mit einer fremden Sprache unverstanden zu bleiben. Beziehung anzufangen, aber immer wieder loslassen zu müssen, keine Nähe aufbauen zu können. Es war Verzweiflung, dass man mir meine Sorgen ansieht und sich niemand mit meinen Sorgen belasten wollte und die Kontaktaufnahme vermied. Es war der angestrengte Versuch willkürliche Kontakte zu suchen, locker zu bleiben, sich zu entspannen und die Momente und vorallem das Alleinsein zu genießen. Es war alles andere als Entspannung und Genuß. Es war Anstrengung, Angst, Sehnsucht nach einer echten Umarmung, einem sinnvollen Gespräch, dass über die Backpackerinhalte und dem üblichen Smalltalk hinausgeht. Es war nicht das Gefühl des Ankommens, sondern des Verlassenseins und die Erkenntnis, dass kein Ort dieser Welt schön genug sein kann, um das Gefühl eines Zuhauses ersetzen zu können. Das erste, was ich also auf der Reise gelernt habe ist die Tatsache, dass ich ein Zuhause habe, dass es Menschen gibt, die es überhaupt erst zu meinem Zuhause machen, die selbst da sind, wenn sie nicht gerade neben mir stehen. Es schaffen mir ein Gefühl der Wärme und Zuneigung über 10.000 von Kilometern zu vermitteln, mich aus der Ferne unterstützen, auf zahlreichen Wegen Anteil an meiner Reise nehmen und geduldig auf meine Rückkehr warten. DANKE DAFÜR <3

Das zweite, was ich gelernt habe ist, dass die Angst und Panik schwindet und es sich, erstmal den ersten Schock überwunden, einfach wunderbar anfühlt Auf-Reise-zu-Sein. Nämlich genauso, wie ich es mir allein Daheim am Schreibtisch vorgestellt habe. Die Tätigkeit des Reisen wird zu deinem Lebensinhalt, zu deiner täglichen Aufgabe. Du musst dich um nichts weiteres kümmern, als darum, deinen aktuellen Bedürfnissen nachzukommen. Du kannst deiner Nase folgen, dem Tag soviel Stunden geben wie du magst; Dinge auf deine Weise lösen, ohne jemanden Rechenschaft ablegen zu müssen außer dir selbst, ohne Kompromisse eingehen zu müssen; Fehler machen, ohne großartige Konsequenzen fürchten zu müssen; neue Dinge ausprobieren und erlernen ohne einen Erfolgs- oder Zeitdruck; Zufrieden sein mit dem Nichtstun. Du kannst einfach Sein: zeitlos, ahnungslos, losgelöst.

Und einmal diesen Punkt erreicht, verändert sich auf einmal so vieles. Ich trage keine Uhr, führe keinen Kalender, weiß nicht welcher Wochentag ist. Ich nehme mir Zeit: Beim Laufen, beim Umschauen, beim Essen, bei allem. Ich habe selten mein Handy an, gucke kein TV, nutze wenig Internet. Ich habe keine Tagesstruktur, stehe auf, wenn ich aufwache und gehe schlafen, wenn ich müde bin. Menschen auf der Straße lächeln mich an, weil ich lächle. Ich rede nicht nur viel in Englisch, ich beginne in Englisch zu denken, mit jedem zu reden, der mir vor die Nase kommt, mich von niemanden abhängig zu machen, aber jedem offen gegenüber zu stehen. Mit Leuten zu sprechen, die offensichtlich von einem anderen Schlag sind und eine vertrauensvolle und freundschaftliche Beziehung innerhalb kürzester Zeit herzustellen. Ich fühle mich nicht  mehr unwohl, verloren oder auf der Suche nach dem rechten Platz in dieser verrückten Reisewelt. Ja, ich fange an zu genießen und jeden Moment auszuschöpfen. Ich komme an in der Backpackerwelt. Woran ich das fest mache? Warum gerade jetzt?

Gestern saß ich in der Bank, um ein Konto zu eröffnen als eine ältere Lady rein kam und zu mir meinte: "Du musst eine Reisende sein". Als ich bejahte, sagte sie: "Du kleidest dich, wie jeder Reisende sich kleidet." Das tue ich nicht bewusst, aber ich wusste sofort was die alte Dame meinte. Ich kleide mich einfach so, wie es mir ist ohne über die Pässlichkeit zu einem bestimmten Anlass nachzudenken. Und eins ist sicher, ich war nicht passend für einen Bankbesuch gekleidet.^^

Heute Nacht habe ich das erste Mal einen derartig tiefen Schlaf in einem dermaßen überfüllten Hostel gefunden, den man normalerweise nur alleine Daheim in seinem gewohnten Lieblingsbettchen findet. Aufgewacht bin ich von Stimmengemurmel, welches meiner Meinung nach kein anderes sein konnte, als das meiner Eltern. So ein Schlaf finde ich schließlich nur Zuhause, also musste ich in meiner gewohnten Wohlfühlzone sein. Das war ich auch, nur eben als Backpacker in einem Hostel.

Ich bin angekommen!

2 Kommentare:

  1. 🎩 ich ziehe meinen Hut, Gratulation Carina, viel Spaß und spannende Abenteuer auf deiner weiteren Reise👍

    AntwortenLöschen
  2. Mit einem Wort - GEDANKENKOMPASS

    AntwortenLöschen