Donnerstag, 14. Januar 2016

Von Angesicht zu Angesicht

Meine Reise neigt sich langsam aber sicher dem Ende zu. Nur noch weniger als 6 Wochen verbleibend bis zur Heimkehr. Und bis dahin noch den ein oder anderen Tag auf mich allein gestellt.

Die Reise war natürlich nicht nur in Sachen Welterkundung ein Abenteuer. Nein, gerade das Alleinereisen hat viel Gelegenheit zum Lernen und Reflektieren mit sich gebracht. Ich habe nicht nur viel über den Umgang mit Menschen und Kultur gelernt, sondern auch viel über mich selbst.

Nach 6 Monaten des Reflektierens und Lernens sind natürlich einige neue Erkenntnisse gekommen, die das Reisen so spannend macht und euch Leser sicher neugierig. Ihr habt euch sicher bereits das ein oder andere mal gefragt oder darüber unterhalten: Wie mag sie wohl wiederkommen?

Die Frage ist natürlich weder von eurer Seite noch von meiner wirklich zu beantworten. Die Zeit wird zeigen, wie ich zurück komme. Bis dahin dürften wir noch gespannt bleiben. Dennoch, die ein oder andere neue Erkenntnis will ich euch nicht vorenthalten. 

Während der Reise hatte ich mit vielen Herausforderungen zu tun. Eine davon war der Umgang mit Angst.

Angst ist auf Langzeitreisen wohl dein ständiger Begleiter. Mal mehr und mal weniger stark ausgeprägt sitzt sie dir dennoch wie der Schalk im Nacken.

Ich weiß noch wie ich die Reise begann. Noch in Deutschland hat mich an dem Gedanken der Reise nichts beängstigt. Ich war der festen Überzeugung, dass ich nicht der erste Mensch auf dieser Welt bin, der so eine lange Reise durch mehrerer Länder alleine wagt. Es gab zig, die es vor mir getan und geschafft haben. Nie habe ich den Gedanken daran verloren, dass es mindestens eben so viele Menschen gibt, die es versucht, aber nicht geschafft haben. Die vor Angst und Sorgen die Reise bald abgebrochen haben und zurück nach Hause geflogen sind. Die der Angst begegnet sind, aber nicht überwinden konnten. Die es nicht geschafft haben, in dem Zustand der ewigen Unsicherheit zu leben. Das dieser Zustand tatsächlich allgegenwärtig und der kräftezehrendste Teil der Reise ist, ist mir Zuhause in der Form nicht in den Sinn gekommen.

Nun, als ich mich also in Landeflug auf den Flughafen Cairns in Australien befand, wo meine Reise beginnen sollte, kamen all diese Gedanken plötzlich in den Sinn. Mir wurd übel, ich hatte ein flaues Gefühl im Magen, der Schweiß stand mir auf der Stirn und das Kribbeln der Nervosität zog durch meinen ganzen Körper. Wie zur Hölle sollte ich mein Leben in der Ungewissheit für die nächsten 8 Monate alleine gestalten? Leere und schiere Angst überkam mich. Das erste Mal begegnete ich meiner Angst von Angesicht zur Angesicht. 

Diese sollte sich die nächsten 3 Wochen nicht legen. Nervös und angstverspannt hängte ich mich an andere Reisende oder reisende Gruppen an, weil ich alleine vor Angst gelähmt und mein Kopf für klare Entscheidungen blockiert war. Ein Rückflugticket nach Hause habe ich mir gewünscht.  4 Wochen Urlaub reichen doch aus, warum müssen es denn 8 lange Monate sein. Und da war er das erste Mal, der Gedanke der Zeit, die ich im Überfluss hatte. Wo mir 8 Monate zurück in Deutschland noch als kurz erschienen, erschienen sie mir im Angesicht meiner Angst auf einmal endlos lang.

Nach 3 Wochen der Angst hatte sich das Gefühl beruhigt. Ich habe sie als ständigen Begleiter akzeptiert und mit ihr einen Deal gemacht. Körperlich durfte sie als natürlicher Reflex auf jeden Fall Alarm schlagen, sobald Gefahr in Verzug war. Aber für den alltäglichen Zustand der Ungewissheit sollte sie sich in Gedanken klein halten, nur im Hinterkopf als kleiner Denkanstoß verweilen. Das klappte so auch eine ganze Weile gut.

Die kommenden Monate begegnete ich vielen angsterfüllten Momenten und Abenteuern: Das Fallschirmspringen, das Tauchen, Mitfahrgelegenheiten, nach Hausewege durch seltsame Gegenden, Taxifahrten alleine usw. So lange ich alleine war, war sie immer da. Die warnende Angst. Aber mit der Zeit lernst du mit ihr umzugehen. Du lernst sie wegzuatmen, kurz einen Gedanken an die möglichen Gefahren und Konsequenzen zu verschwenden, um dann erneut durchzuatmen und den Gedanken wieder in den Hinterkopf zu verbannen.

Wie um alles in der Welt, schafft man es alleine zu reisen, wenn man der Angst um Konsequenzen und Gefahren den Raum gibt, den sie fordert? Die Antwort ist leicht - gar nicht. Es ist unmöglich von A nach B zu kommen, wenn man stets Angst hat geklaut zu werden. Es ist unmöglich lange Zeit auf Reisen mit Wertsachen umher zu reisen, wenn man ständig mit dem Gedanken der Sicherung beschäftigt ist. Es ist unmöglich zu überleben, wenn man ständig abwägt ob man das Wasser auch trinken und das Essen auch essen kann. Ob die Medizin, die du bekommen hast gefährlich oder gesundheitsschädigend ist. Ob das Auto auch wirklich verkehrstauglich ist oder auf den Schrottplatz gehört usw.  Die Gedanken, die man sich vielleicht tagtäglich Zuhause macht. Für die ist während der Reise durch unterschiedliche Länder und Kulturen mit unterschiedlichen Standards und Entwicklungsständen schlicht weg kein Raum vorhanden. 

Was ich also während meiner Reise gelernt habe ist keineswegs naiv oder leichtgläubig zu werden. Nein, der Gedanke von einer notwendigen Angst bei allem was man tut ist stets im Hinterkopf vorhanden. Nur habe ich gelernt der Angst zu zu hören. Ihr zu begegnen und schließlich abzuwägen, ob es wirklich notwendig ist, ihr den Raum zu geben, den sie fordert. Die einen nennen es Mut, ich nenne es ein Verschieben der Grenzen und Erweitern des Horizonts durch das Begegnen von Herausforderungen.

Liebe Angst, du bist und bleibst ein wichtiger menschlicher Reflex und hast mehr als eine Daseinsberechtigung. Du bist ein aufregender Teil meiner Reise gewesen und einer meiner treuesten Wegbegleiter. Tu weiterhin deine Arbeit dort wo du sie zu erledigen hast und gib mir die notwendige Sicherheit für die letzte Wegstrecke nach Hause. ;)

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