Dienstag, 24. November 2015

Wenn der Zauber den Zauber verliert

Und wieder mal die alt bekannte Frage: Was stellt man sich eigentlich unter so einer Langzeitreise vor, wenn man Daheim sitzt?

Urlaub, Palmen, Strand. Sorgenfreiheit, Unbeschwertheit, Faulenzen. Jeden Tag Sonnenschein, neue Abenteuer, die einem täglich das Lachen ins Gesicht zaubern. Ein breites Grinsen, die Titanic-Pose auf jedem Schiff, jedem Berggipfel und in jeder Bucht mit dem dazugehörigen Gefühl der absoluten Freiheit. Der Wind weht durchs Haar und entlüftet deinen Kopf vom alten Alltagsmief. Der Hollywoodklassiker eben.

Ja, es gibt diese Momente, da entspricht die Vorstellung in Vollkommenheit dieser Beschreibung. Und nein, dass ist tatsächlich einmal nicht Made in Hollywood, sondern mehr als real. Für diese Momente lebt man, nach diesen Moment jagt man und wenn er dann da ist, fühlt man sich wirklich wie die Hauptrolle in einem Hollywoodstreifen: Vollkommen glücklich und absolut frei. Nur sind diese Moment eben auch rar, kurzweilig und zerbrechlich. Sie machen den Zauber der Reise aus. Der größte Teil der Reise besteht aber eben nicht aus diesen Momenten und diesem Zauber.

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Und wie kann es anders sein. Natürlich hüpft man nicht wie ein Einhorn auf dem Regenbogen umher und lächelt sorgenfrei in den blauen Himmel hinein. Reisen wird auch Alltag, hat auch seine Routinen, seine Pflichten und hat auch vor allem seine Sorgen. Reisen macht sie sogar noch um einiges komplizierter.

Wie besucht man einen Arzt in einem anderen Land, wenn man ihn benötigt? Und wie organisiere ich das, wenn ich krank bin und mich dazu nicht mehr in der Lage fühle? 

Wie klärt man Schadensfälle, Erstattungskosten, Geldtransfere usw., wenn man seinen dicken Aktenordner mit den notwendigen Unterlagen an den Traumorten irgendwo im nirgendwo nicht griffbereit hat? Wenn man in einem Serviceloch zwischen zwei Mobilfunkantennen sitzt und keinen Empfang, geschweige denn Internetzugang hat?

Wie komme ich von A nach B? Und welche Geldwährung benötige ich dafür? Wo bekomme ich die her? Wie komme ich denn DA hin und kann auch mit Karte zahlen?

Was muss ich an politischen und kulturellen Hintergründen beachten?

Was muss ich für Grundvoraussetzungen erfüllen um in den Ländern dieser Welt ein- und ausreisen zu können?

Und wie komme ich an all die Informationen, wenn ich noch damit beschäftigt bin eine Unterkunft für die Nacht zu organisieren und eine einigermaßen anständige Mahlzeit in meinen Bauch zu bekommen ohne mein ganzes Budget dafür aufwenden zu müssen?

Wie finde ich meinen Schlaf in überfüllten Hotelzimmern? Und was stelle ich bloß mit den von Bettwanzen verseuchten Klamotten an? Und warum konnte ich das mit den Bettwanzen nicht einfach auslassen?

Wie trotzt man mit eingeschränkter Kleidungsauswahl dem wechselhaften Wetterbedingungen? Und was zieht man an, wenn alles gerade gewaschen werden muss? Wieso habe ich den Regenschirm Zuhause gelassen?

Und wie erträgt man heulende, heimwehjammernde Mitreisende, wenn man doch selber Freunde und Familie vermisst?

Man kann seinen alten Routinen und seinem alten Alltag entfliehen. Dadurch mögen alte Sorgen und Pflichten verwischen. Man tauscht sie hingegen nur ein gegen einen neuen Alltag, neue Routinen. Und es entstehen neue Pflichten und neue Sorgen. Sie mögen anders sein, aber nicht weniger belastend oder fordernd: Krankheit, Zeittermine, nervige Mitmenschen, kaputte Sachgegenstände, Geldsorgen, Bettwanzen! Reisen ist keine Flucht. Sie kann gar keine sein. Weil du dich selbst und dein Leben überall mit hinnimmst und damit Sorgen und Pflichten ebenso inbegriffen sind wie zauberhaften Momente voller Freunde, Glück und Zufriedenheit.

1 Kommentar:

  1. Hallo Carina, toll gebloggert und eindringlich beschrieben, Reisen ist eine schwierige Kunst. Schon mein "Nachbar" Sokrates schrieb vor einigen Jahren: " Was wunderst du dich, dass deine Reisen nichts nützen, da du dich selbst mit herumschleppst". Reisen ist eine anstrengende und aufwendige Art der Weiterbildung, sagen die Engländer. Was zählt sind die schönen, wunderbaren und einmaligen Momente, die dich ein Leben lang begleiten werden, wie auch jede negative Überraschung,Sorge und Schwierigkeit, dir die Kraft und die Freude nehmen, dich aber stärker, besser und kompletter machen, alles im Sauseschritt deiner Reise :). Alles Gute und noch viele freudige Erfahrungen. Freue mich schon auf deinen nächten Blog. Glück Auf !!!

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